Halloween – oder: der Irrsinn an einer Landschule

Alle Jahre wieder … im Oktober … finde ich in meinem Fach und diesmal auch auf meinem Pult Flugblätter, die mich vor unsäglichem Unheil bewahren und zum Licht führen wollen. Und an meiner Tafel prangt in großen Buchstaben: „Wir Christen feiern kein Halloween, wir feiern das Reformationsfest!“ Eigentlich könnte es lustig sein, wenn es nicht so bitter ernst gemeint wäre. Versteht mich nicht falsch, weder will ich irgendjemanden dazu überreden, Halloween zu feiern,  noch wünsche ich mir, dass Halloween unsere Bräuche und Traditionen ersetzt. Aber ich will auch nicht mehr tatenlos zusehen, wie Halbwahrheiten verbreitet werden, Angst geschürt und mit der ewigen Verdammnis gedroht wird, alles im Thema eines evangelischen Religionsunterrichts. Davon abgesehen, feiere ich als Katholikin kein Reformationsfest und unsere Schule besuchen genug Schüler, die nicht christlich sind.

Flugblätter verbreiten Angst

Jetzt aber zu den Flugblättern. Alle sind ähnlich, die Überschriften heißen z.B. „Halloween ein harmloser Spaß“, dann folgt ein Zitat eines angeblichen Okkultismus-Forschers. Der Mann, es gibt ihn wirklich, gehört einer streng christlichen Randgruppe an, die man fast schon als Sekte bezeichnen könnte. Weiter, so liest man, wäre Halloween ein Einstiegsfest zum Satanismus, das auch heute noch vorwiegend von Satanisten gefeiert würde. Es stammte aus dem irischen und früher seien von Druiden Kinder geopfert worden. Die Druiden hätten die Opfer ausgesucht und die Häuser mit Rübenlichtern markiert. Hätten sich die Bewohner geweigert, wären sie alle hingerichtet worden. Auf anderen Blättern liest man, auch heute würden noch Kinder und Menschen oder zumindest Tiere geopfert werden, es fänden reihenweise satanistische Verbrechen statt. Samhain sei der Name des Totengottes, der an diesem Tag verehrt würde und man würde die Seelen der Toten heraufbeschwören.

Falsche Fakten werden verbreitet

Als einigermaßen aufgeklärter Mensch kann man über so etwas nur den Kopf schütteln. An den Haaren herbeigezogen und nicht im Geringsten wissenschaftlich belegbar. Schon allein das Vermischen von alten keltischen Religionen und dem sehr neuen Satanismus zeugt von völliger Unkenntnis. Dass es Menschenopfer bei den Kelten gab, muss man gar nicht abstreiten, die gab es bei den meisten alten Religionen. Die Häufigkeit und die Art, wie die Opfer gefunden wurden, wird aber stark übertrieben. Kelten opferten meist Freiwillige oder Gefangene, keine Kinder und auch nicht um den Totengott Samhain zu verehren, den gab es nämlich nicht. Man muss bedenken, dass die meisten Schriften über keltische Menschenopfer von den Römern (ihren Feinden) stammen. Diese waren oft politisch motiviert und nicht unbedingt glaubwürdig. Samhain war im Übrigen das Fest zur Verabschiedung des Sommers und zur Totenehrung. Das feiern Christen ja auch (Allerseelen bzw. Totensonntag). Klar, Christen glauben nicht, dass die Seelen der Toten auf die Erde zurückkommen und laden sie auch nicht mit einem Licht in ihr Haus ein, aber darum geht es ja nicht. Ein Vergleich von heidnischen Bräuchen und christlichen Traditionen würde hier auch viel zu viel Platz beanspruchen. Wie ich vorhin schon erwähnte, ein aufgeklärter Mensch sollte solche Gruselgeschichten nicht glauben. Und vor allem nicht an seine Schüler verbreiten. Ihnen gar einreden, dass alle Menschen, die Halloween feiern von Grund auf böse sind. Dass sowas an einer Schule passiert, finde ich erschreckend. Dass es von der Schulleiterin unterstützt wurde, noch mehr.

Halloween im Englischunterricht

Als Englischlehrerin steht Halloween für mich auf dem Lehrplan. An meiner alten Schule war das auch nie ein Problem. Wir haben Texte über den Ursprung des Festes gelesen, Reime gelernt und zum Abschluss ein kleines Halloweenfest gefeiert, mit typischen Spielen wie dem apple-bobbing. Letztes Jahr wurde mir dies untersagt. Eine richtige Begründung gab es dafür allerdings nicht. Nur ein vages „Das kann man hier nicht machen“, „Du hast doch die Flugblätter gelesen“. Ich weiß bis heute nicht, wo das Problem lag. Ich hatte ja nicht vor, eine Ziege im Klassenzimmer zu schlachten. Ein bisschen fühlte ich mich ins Mittelalter zurückversetzt. Nun, neues Jahr, neues Glück. Wir haben eine neue Leiterin, sie ist etwas lockerer (und weltlicher). Gegenflugblätter mit wissenschaftlich belegbaren Informationen sind vorbereitet und werden verteilt. In meiner Klasse wird keine Gehirnwäsche mehr stattfinden. Habt ihr ähnliche Erfahrungen an eurer Schule gemacht? Schreibt mir, wie ihr damit umgeht :-)
Merken
Zur Liste hinzufügen:
Hinzufügen
Schreiben Sie einen Kommentar