Klischees über Lehrerinnen und Lehrer

Es ist morgens acht Uhr. Die Tür des Klassenraums öffnet sich und eine bleiche Lehrerin, die ihre Müdigkeit hinter einer Tasse Kaffee verstecken möchte, betritt das Zimmer. Ihr Alter ist nicht ohne Weiteres durch die Schülerschaft einzuschätzen, denn sie folgt einem generationsübergreifenden Dresscode: Sie trägt eher altbackene Schnittmuster, diese allerdings in buntesten Farben, und dazu selbstverständlich ein riesiges Tuch, einerseits Schutz für den Hals und dabei ein doch mit Sorgfalt ausgewähltes optisches Gimmick und ein wichtiges Erkennungsmerkmal der Grundschullehrerin. Die in der Ausbildung meist forcierte Offenheit der dahinter steckenden Person wird durch die Größe der Halsbedeckung eher suboptimal erfüllt, vielmehr kann das Tuch auch als Protektor gegen eventuelle Konfrontationen fungieren (siehe meinen Artikel zum Thema Unterrichtsstörungen). Im Raum nebenan folgt das männliche Pendant einem genderspezifisch analogen Kleidungsstil: es verzichtet auf Anzug und Krawatte, lässt die wohlstrukturierte Lehrerpersönlichkeit dafür aber durch eher gediegene Farbgebung, (Karo-)Hemd und auch häufig genug durch einen Schal zur Geltung kommen.

Der Lehrer – eine spezielle Gattung mit vielen Privilegien

Jaja, die Gattung Lehrer folgt bewusst und unbewusst gewissen Merkmalen. Außenstehenden kommt beim Nachdenken über besagte Berufsgruppe auch der ältere Lehrer in den Sinn, welcher sich abends, nach der Korrektur etlicher Aufsätze, einen guten Rotwein gönnt und zu klassischer Musik oder wahlweise auch Jürgen von der Lippes Klassiker „Der Lehrer'' (bitte anhören) mit Kollegen über den Schulalltag sinniert. Mancher erkennt sich wieder. Doch sind diese Klischees real und aktuell? Die vermeintliche Lockerheit in den Umständen der Lehrerschaft ist hierbei bezeichnend und im Volksmund noch immer häufig vertreten. So wird nicht nur von Weintrinken ausgegangen. Vielmehr stellt sich der ein oder andere eine Gruppe vor, die statt Kartenspielen munter gemeinsam Noten auswürfelt, sich schon nach Feierabend um Eins zum Wein trifft und während des Unterrichts die unzähligen Museumsbesuche in den viel zu langen Ferien plant. Der Lehrer hat vormittags recht und nachmittags frei, so die Vermutung. Durch den sicheren Beamtenstatus und die beachtliche Pension muss er sich keine Gedanken über Gegenwart und Zukunft machen, es sei denn, er unterrichtet Deutsch und behandelt Zeitformen.

Der Ist-Zustand

Heute kann keineswegs davon ausgegangen werden, dass Lehrerinnen und Lehrer immer verbeamtet werden. Es reichen gesundheitliche Risiken, die der Amtsarzt bisweilen großzügig als Risiko auslegt. Diese Angestellten arbeiten mit weniger beruflicher und finanzieller Sicherheit, ohne Pension, und bilden bundesweit bis zu einem Drittel der Lehrerschaft. Blickt man in die Schulen, so sieht man aber auch, dass eigentlich viel mehr Lehrerinnen und Lehrer daran interessiert sind, zu begeistern, sich mit Herzblut einzubringen anstatt ständig auf die Uhr zu gucken und den Schulschluss herbeizusehnen. Im Gegenteil, manche schalten kaum ab, was man an den E‑Mails noch nach 2.00 Uhr morgens sehen kann, wenn einer Kollegin noch ein tolles Symbol für die Klassenregeln eingefallen ist. Derart engagierte Kollegen sollten eher gebremst als durch Vorurteile herausgefordert werden, denn die Lehrkraft mit Burnout ist leider nicht nur ein Klischee. Zugegeben, der morgens recht habende Lehrer zeichnet sich auch oft als nachmittags rechthaberischer Charakter aus. Da er dort durch Vor- und Nachbereitung, Konferenzen und Elterngespräche ebenfalls arbeitet und problemlos auf 50+ Stunden Arbeitszeit pro Woche kommen kann, hat er dazu aber nicht immer Zeit. Im Unterricht selbst habe ich die Lehrerinnen und Lehrer dabei als immer mehr demokratisch, diskussionsbereit und so dabei kaum rechthaberisch kennengelernt. Selbst der altbekannte Rotstift weicht immer mehr freundlicheren Farben. Auch Ferien werden für die Arbeit genutzt, denn es handelt sich um unterrichtsfreie, nicht jedoch um komplett freie Zeit. Präsenztage, Korrekturen und Vorbereitung sind auch hier oft vorhanden und verhindern, im Hinterkopf abzuschalten.

Wahre Klischees?

Ein Klischee lässt sich jedoch, zumindest bei mir, vollends bestätigen. Selten komme ich ohne Kreide an der Kleidung aus dem Klassenraum und es ist eigentlich noch schlimmer: Ich kriege diese unangenehme Substanz einfach nicht mehr raus gewaschen und komme meist schon mit Kreideflecken auf dem Karohemd in den Unterricht hinein. War nicht einmal die Rede von Smartboards?
Wie geht es euch als Lehrerinnen und Lehrer mit solchen Vorurteilen? Lasst ihr euch davon provozieren oder geht ihr gelassen damit um?
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